Das Wort vergessen ist eine raffinierte Sache, einerseits kann damit alles gemeint sein, was man nicht mehr im Gedächtnis auffindet, zum anderen ist es eine Tätigkeit, etwas elegant zum Verschwinden zu bringen.
So kann die Botschaft im Roman „Wie man eine Frau vergisst“ von Dan Lungu beides bedeuten, nämlich dass sich der Held nicht mehr an die Frau erinnern will oder dass sie zum Vergessen ist.
Der Held Andi ist investigativer Journalist in einer relativ belanglosen Zeitung, worin eigentlich kaum etwas aufgedeckt wird. Die Journalisten kratzen sich lustlos irgendwelche Themen unter den Fingernägeln heraus und rechnen gar nicht damit, dass etwas Sensationelles dabei heraus kommt. Andi soll beispielsweise gerade einen Artikel über die Baptisten verfassen, aber in Wirklichkeit steht er noch unter Schock, weil ihn seine Freundin Marga verlassen hat.
Wahrscheinlich steckt hinter dem Verschwinden von Marga eine Botschaft, aber Andi kann sie nicht dechiffrieren. Vielleicht war einfach nur die Zeit abgelaufen und die Beziehung muss wieder versickern, wie sie einst gekommen ist.
So tauchen einerseits Begebenheiten auf, wie sich die beiden kennengelernt haben, was Marga als Jugendliche erlebt hat, wie zur Zeit der Beziehung die gesellschaftlichen Tagesereignisse mehr oder weniger inkognito an ihnen vorbei gezogen sind, wie manches wichtig geworden ist und anderes lächerlich bedeutungslos.
Andi ertappt sich dabei, wie er die Recherche zu den Baptisten mit der Recherche zu seiner verflossenen Liebschaft verbindet, dabei entsteht eine neue Art der Perspektive. So kann Ani allmählich seine diversen Beziehungen auf die Reihe bringen und objektive Vergleiche zu anderen Verflossenen anstellen. Liebe und Gottesbeweise sind offensichtlich ähnlich strukturiert.
Dan Lungu erzählt von einem Ausnahmezustand seines Helden in einer recht speedigen, tagesjournalistischen „Investigation“. Fast nichts ist logisch mit einander verknüpft, alles kann gleichzeitig vorhanden oder aber auch ein Loch der Erinnerung sein. Die Aufregungen und Irritationen des kleinen Journalisten-Helden lassen sich auch auf das große Staatsgebilde übertragen. Wie man eine Staatsform vergisst, wie man Demokratie vergisst, alles Vergessen läuft auf diese wundersam leichte Weise ab, die letztlich überhaupt nicht weh tut. Schon in der österreichischen Operette heißt es in der Fledermaus gnadenlos mitreißend, glücklich ist, wer vergisst, was nicht zu ändern ist.
Text: tibs
Dan Lungu: Wie man eine Frau vergisst.
Hardcover mit Schutzumschlag
Roman. A. d. Rumän. von Jan Cornelius. [Orig.: Cum sa uiti o femeie, 2009]
Residenz Verlag, 283 Seiten.
ISBN 978-3-7017-1543-5.
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