Ein Kraftakt weiblicher Selbstbestimmung

Viennese Ladies Bandfoto
Viennese Ladies zeigen wo’s lang geht
 
Obwohl wir bereits im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts angekommen sind, ist es weiterhin recht ungewöhnlich, dass eine vielköpfige Band ausnahmslos aus Frauen besteht. Drehen wir das Rad der Zeit ein paar Jahrzehnte zurück und blicken auf die österreichische Musikszene Anfang der 1980er Jahre, dann war der Begriff "Frauenband" überhaupt ein Novum, denn mit A-Gen 53 gab es in dieser Zeit gerade mal eine Frauenpunkband. Hinter dem Trio steckte u.a. Claudia K. Gangl, die Mitgründerin der 12-köpfigen Frauenband Viennese Ladies.

Über das Selbstbewusstsein einer Frauenband
 
Die Viennese Ladies begannen damit, Coverversionen aus dem Oeuvre der grandiosen Etta James (1938-2012) zu covern. Die US-amerikanische Blues-, Gospel-, Soul- und Jazzsängerin galt zu Lebzeiten als beste Blueskünstlerin. Ihr Leben wurde im Film "Cadillac Records" 2009 gewürdigt. Beyoncé verkörpert darin Etta. Auf Beyoncés mehrfach Grammy verzierten aktuellen Album "Renaissance" zitiert der Weltstar im Song "Alien Superstar" den Song "Unique" von Danube Dance featuring Kim Cooper. Letztere ist Teil der Viennese Ladies. Man ahnt schon: Bei den Viennese Ladies schließen sich besonders große Kreise, die in mehreren Hinsichten viel Geschichte und viele Geschichten in sich tragen. Mit ihrer speziellen Mischung aus Blues, Funk, Jazz und Soul lässt nun die große Frauenband Viennese Ladies auf deren Debüt-Album "Enlightenment" aufhorchen. Das Selbstbewusstsein der Band spiegelt sich auch am Foto des Albumcovers wider, einer Nachstellung des berühmten Gemäldes "Das Abendmahl" von Leonardo da Vinci. Ein feminines Selbstverständnis, das die patriarchalen Strukturen völlig zurecht in Frage stellt. Weibliche Musikerinnen haben es hierzulande nämlich weiterhin nicht leicht. Im Vergleich zu früher ist es heute aber immerhin möglich eine Band wie die Viennese Ladies auf den Weg zu bringen, und für jede Musikerin zudem einen adäquaten Ersatz zu haben, falls es aus terminlichen Gründen bei der einen oder anderen Musikerin grad nicht passt. Eine Tatsache, auf die Claudia K. Gangl natürlich stolz ist. Bis vor einigen Jahren war das noch nicht selbstverständlich, dass man für jede Instrumentalistin eine Substitutin auf hohem künstlerischen Niveau auftreiben kann. Ein weiterer positiver Aspekt ist, dass die Bemühung zusammenzubleiben und weiterzumachen ungleich größer ist, als wenn man mit männlichen Kollegen spielt, wo hinter jedem Instrumentalisten zig andere warten. Eine so große Anzahl an Musikerinnen zusammenzuhalten und es terminlich zu managen hört sich ebenfalls nicht sehr einfach an. Claudia K.: "Doodle funktioniert z.B. überhaupt nicht. Wenn sich die letzte da eingetragen hat, hat die erste wieder bereits den Termin hergegeben." Disziplin bei Musikerinnen ist nicht immer einfach, "aber", so Claudia K., "es ist natürlich so, dass sie keine Beamtinnen sind, sondern Künstlerinnen. Wenn man mit solchen Frauen etwas auf die Füße stellen will, dann gibt es einfach ganz andere Parameter und dann muss man auch damit rechnen, dass es organisatorisch ein bisschen schwieriger wird."
 
Songs von melodischer Schönheit femininer Schaffenskraft
 
Zur Stammbesetzung der Viennese Ladies gehören neben Sängerin Kim Cooper - die wie oben erwähnt von Beyoncé zitiert wurde und Teil von The Rounder Girls war - die Sängerin Betty Semper, die mit Stars wie Gloria Gaynor und Eric Clapton zusammenarbeitete. Des weiteren ist mit Meena Cryle eine der großen Blues-Stimmen der heimischen Musik-Szene in der Band, sowie die Sängerin N!DDL, das Energiebündel aus der ersten Staffel ORF Starmania, und die Soulsängerin Aminata Seydi. An der Gitarre ist Beate Reiermann zu hören, während hinterm Klavier Philippine Duchateau sitzt. Die Bläser-Section bilden Harpina an der Blues-Harp - sie ist weltweit eine der wenigen Harpspielerinnen -  sowie Daniela Lang an der Trompete und Silke Gert am Saxophon. Mit Maria Petrova sitzt hinterm Schlagzeug eine Musikerin, die zudem aktuell bei der Wr. Tschuschenkapelle und in der Band von Ernst Molden wirkt. Zu guter letzt freilich noch die Bandleaderin der Band - Sängerin und Bassistin Claudia K. Sie spielt einen Hofner-Bass, wie ihn bereits Paul McCartney bei The Beatles gespielt hat. Das Bassspielen hat sie erst vor einigen Jahren gelernt. Da gibt es, wie sie im Interview meinte, super Webinare von Top-Musikern. Wie es überhaupt dazu kam, dass Claudia K. vorwiegend mit Frauen spielt, erzählte sie ebenfalls: "Meine erste Band Anfang der 1980er Jahre war A-Gen 53, die erste Frauenpunkband in Österreich, benannt nach einem Verhütungsmittel, und in den Jahren darauf gründete ich die Frauenbands Laufmasche, Supervamp, Die Botschafterinnen und Bad Sisters. Warum mich Frauenbands immer mehr interessiert haben, hat einen persönlichen Grund, weil ich mit vier Brüdern aufgewachsen bin. Ich war immer irgendwie der fünfte Bub und ich hatte immer den Eindruck, bei Männern kenne ich mich total aus, aber Frauen sind ein Mysterium für mich. Mich hat immer interessiert, wie Frauen so ticken, und deshalb mache ich gerne Musik mit Frauen." Entstanden ist Viennese Ladies gewissermaßen als Weiterführung vom Etta’s Club. Gegründet wurde dieser von der langjährigen musikalischen Wegbegleiterin von Claudia K., nämlich von der 2015 viel zu früh verstorbenen SüVaal, der Sängerin von Drahdiwaberl. Mit der Zeit entwickelte sich Viennese Ladies zu einem Kollektiv, das sich Eigenkompositionen erarbeitete. Claudia K.: "Wir haben uns überlegt, wenn wir als Band reüssieren oder irgendwie ernst genommen werden wollen, dann müssen wir ein Album mit eigenen Songs aufnehmen. Während der Pandemie sind wir nach Horn gefahren und haben uns im Campus einquartiert. Dort haben wir begonnen an Liedern zu arbeiten, sodass wir einen gemeinsamen Sound zusammenbringen." Was sich wie ein Vorzeigeprojekt liest, worauf man richtig stolz sein kann, noch dazu, weil die Viennese Ladies Musikerinnen aus verschiedenen Generationen in sich vereint, sahen das diverse Förderstellen anders. Dass das Album überhaupt realisiert werden konnte, war letztendlich ein Kraftakt weiblicher Selbstbestimmung. Finanziert wurde es hauptsächlich aus privaten Mitteln, da der Österreichische Musikfonds ohne Begründung eine Subventionierung ablehnte. Das Ziel wurde aber auch so erreicht. Das Album "Enlightenment" ist ein großer künstlerischer Erfolg. Obwohl viele Komponistinnen am Werk waren, schaffte es die Band tatsächlich einen einheitlichen Sound wie aus einem Guss zu kreieren, der international konkurrenzfähig ist, mit 14 eigenen Songs von melodischer Schönheit femininer Schaffenskraft. //
  
Text: Manfred Horak
Foto: Gerry Frank

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