Nütze den Tag und höre McCartney III

McCartney III Vinyl

Darauf haben Fans von Sir Paul McCartney seit 40 Jahren gewartet und jetzt, in dieser unseligen Pandemie-Zeit ist es endlich soweit. McCartney ließ die Würfel fallen, und heraus kam, mitten im Rockdown, sein drittes richtiges Solo-Album. Der Titel, eh klar, McCartney III.

Das Rockdown-Album von Sir Paul

Die ersten zwei Solo-Alben von Sir Paul McCartney entstanden jeweils nach einer musikalischen Zäsur. War es bei McCartney (1970) das Ende von The Beatles, so war es zehn Jahre später bei McCartney II (1980) das Ende von Wings. Bei McCartney III (2020) ist ebenfalls eine Zäsur ausschlaggebend, dass Macca alleine sein Ding macht – nämlich die gesellschaftliche Veränderung aufgrund der Pandemie, die bereits jetzt tiefe Spuren durch unser aller Leben furcht und das Kulturleben zu einem Rockdown, wie es McCartney nennt, verkommen lässt.

Songs in unterschiedlichen Staturen

Nach seiner Egypt Station (2018), die, einem Reisekoffer gleich, prall gefüllt von Reiseerlebnissen rund um die Welt daher kam, ist nun also eine Zwangsreduktion angesagt, von der sich der Multiinstrumentalist allerdings nicht den Spaß verderben lässt. Den Impuls ein drittes DIY-Album zu machen lieferte jedoch nicht der Coronavirus-bedingte Allgemeinzustand, sondern ein Song aus den frühen 1990er Jahren, das noch mit George Martin als Co-Produzent entstand, und auf McCartney III den Schlusspunkt setzt: „When Winter Comes“. Ergänzt durch das neue Intro „Winter Bird“ läutet dieses als „Long Tailed Winter Bird“ zudem auch das Album ein. Ein schöner Rahmen. Und zwischendrin viel Platz für neun weitere Songs in unterschiedlichen Staturen.

Musik für sich selbst

„Jeden Tag“, so McCartney, „begann ich die Arbeit mit dem Instrument, auf dem ich das jeweilige Stück geschrieben hatte; danach ergänzte ich dann die weiteren Spuren, was richtig Spaß gemacht hat. Es ging eher darum, für mich selbst Musik zu machen – also nicht so sehr um Songs, die sonst irgendeine Bestimmung hatten oder irgendeinen Dienst erfüllen sollten. Ich machte einfach nur das, worauf ich gerade Lust hatte.“

Die Stärke von McCartney III – Lust auf Musik

Und genau das ist auch die Stärke des Albums – Lust auf Musik. Das hört man von Anfang bis Ende und man kann nur erneut wieder einmal den Hut vor ihm ziehen, was McCartney an neuen Songs und frischen Ideen imstande ist, selbst im fortgeschrittenen Alter noch vorzulegen. Da wäre z.B. die wunderbare schmalzbefreite Folk-Ballade „The Kiss of Venus“ oder die (erneute) musikalische Verbeugung vor den Sparks in „Seize the Day“. Einfach großartig, wie er hier den Tag genützt hat und diesen Song zum Leben erweckte. Super auch das sumpfige Soul-infizierte „Deep Down“. Meisterlich und amüsant zugleich, wie er mit sich selbst einen Karl hat, um es mal wienerisch zu formulieren. Es sind allesamt Songs mit starkem Charakter und hohem Repertoire-Wert, mal schnörkellos, mal verspielt, mal sanft-sinnlich, mal ordentlich rockig und bluesig. Das beste daran: trotz unterschiedlicher Stilistiken und Stimmungen vermittelt McCartney III ein homogenes Bild, was wohl daran liegen mag, dass er alles selbst gemacht hat, ganz im klassischen Sinne von DIY – Do It Yourself.

McCartney – McCartney II – McCartney III

Im Gegensatz zu seinen direkten Vorgänger-Alben New und Egypt Station orientiert sich McCartney III weder am Mainstream noch an sonstigen Zeitgeisterscheinungen. Das typischste Merkmal des Albums ist, dass es eine große Eigenständigkeit inne hat – er spielt mit Ideen und mit den unterschiedlichsten Instrumenten, experimentiert mit Charakteren, Fassons und mit seiner Überzeugung, wie Musik für ihn (und nur für ihn alleine) zu klingen hat. Das verbindet dieses Album mit seinen Solo-Vorgängern 50 bzw. 40 Jahre davor – die Suche nach einem neuen Weg.

McCartney III Green Vinyl

Vinyl-Ausgaben in allen möglichen Farben

Aber nicht nur musikalisch ist ihm mit McCartney III ein spätes Meisterwerk gelungen, sondern auch marketingtechnisch ist ihm da einiges eingefallen, um seine Fans bei Stange zu halten – vor allem jene, die weiterhin oder wieder Musik auf Vinyl hören. Jede Menge Sondereditionen sind erschienen, die allesamt in kürzester Zeit zur gesuchten Rarität wurden, sei es die „normale“ schwarze Vinyl-Ausgabe, die es bei GYLAAX zu kaufen gibt und von der gesagt wird, dass sie in Zukunft die wertvollste von allen Editionen sein wird (nachzulesen im Fachmagzin MINT), seien es die verschiedenen Farb-Pressungen in Rot, Blau, Grün, Weiß, Pink und Schwarz-Gelb. Letztere ist bei Third Man, dem Label von Jack White in einer Einmalpressung von 333 Stück erschienen und ist nicht mehr unter 2.500 Euro erhältlich. Der audiophile Klangcharakter trägt jedenfalls seines dazu bei, die durchgängig unterhaltsamen Songs auf McCartney III zu einem superben Gesamterlebnis zu machen. Hinzu kommt noch die schön bebilderte und mit den Lyrics versehene Aufmachung. Ein Fest für Ohren und Augen, das keine Wünsche offen lässt. //

McCartney III Third Man Vinyl

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